Die ersten Gewänder sind schon fertig

Auszug aus dem Rottaler Anzeiger vom 29.09.2022: Eigenes Nähteam fertigt die historischen Kostüme für das große Freilichttheater-Projekt "Der Wasservogel"    

Wurmannsquick. Noch sind es fast zehn Monate, bis der "Wasservogel" Premiere feiert. Doch die Vorbereitungen für das große, von den Theaterfreunden initiierte Freilichttheater-Projekt, das die Legende zur Entstehung des Marktes aufgreift, laufen bereits seit Wochen auf Hochtouren. So hat etwa das zehn Mitglieder starke Nähteam längst die Arbeit aufgenommen, damit im Juli 2023 auch alle Darsteller in historischen Gewändern auf die Bühne treten können.

Damalige Mode möglichst genau abbilden


Die ersten Kostüme sind bereits fertig, wie schon auf den ersten Blick in der "Zentrale" des Nähteams im ehemaligen Kramerladen Fußstetter an der Simbacher Straße offenbar wird. In den mietfrei zur Verfügung gestellten Räumen können sich die zehn Frauen ungestört ausbreiten. Bürgermeister Georg Thurmeier habe zuvor sogar noch persönlich ausgeweißelt, loben Hildegard Frankenberger und Angela Gömmel, die gemeinsam mit Andrea Maier die Koordination der Gruppe übernommen haben, mit einem Schmunzeln.

Hier finden bei den wöchentlichen Treffen die gemeinsamen Beratungen statt, die Stoffe werden geschnitten und die fertigen Kleidungsstücke gesammelt. "Genäht wird jeweils daheim auf der eigenen Maschine", erklärt Angela Gömmel, die sogar gelernte Näherin ist. Alle anderen im Team sind passionierte Hobby-Näherinnen.

Doch aller Anfang ist bekanntlich schwer: "Erst einmal haben wir uns recht schwergetan, die richtigen Schnitte zu finden", blickt Hildegard Frankenberger zurück. Denn wer weiß schon auf Anhieb, wie die Menschen im 10. Jahrhundert gekleidet waren? Es wurde Fachliteratur besorgt und auch im Internet fanden sich passende Quellen. Man versuche, die damalige "Mode" möglichst genau abzubilden. "Es sollen ja keine Faschingskleider sein", verdeutlicht sie. Nach der kurzen Findungsphase zu Beginn, laufe die Produktion nun auf vollen Touren. "Jetzt sind wir ein eingespieltes Team", sagt Hildegard Frankenberger. Jeder habe dabei seine eigenen Schwerpunkte, während die eine sich vor allem um die Hauben kümmere, seien es bei der anderen die Hemden.

 

An die 100 Gewänder gilt es insgesamt anzufertigen, von den Hauptfiguren wie Söldnerführer Purmann, Magyaren-Führer Etzelino oder Herzog Arnulf bis hin zu einfachen Soldaten oder Statisten. Bei allen Darstellern nahmen die Näherinnen bereits beim großen Casting Maß.

Die Gewänder für die Männer von Söldnerführer Purmann und die Magyaren sind schon weitgehend fertig. Während die Purmann-Truppen vergleichsweise einheitlich in Grün mit Leinenkittel und Überwurf sowie Fußbandage aus Leder gekleidet sind, kommen die Magyaren eher bunt daher. "Die tragen, was sie sich eben zusammengestohlen haben", erklärt Hildegard Frankenberger. Erkennungszeichen sind jeweils die Reiterstiefel und die Hauben mit Pferdehaar-Quaste.

Gearbeitet wird vor allem mit den Materialien Leinen, Leder und Fell. "Wir haben sehr viele Spenden aus der Bevölkerung bekommen", schildert Angela Gömmel. Von Leinengewändern über Tischdecken bis zur alten Pelzmütze: "Was die Leute eben so im Keller oder auf dem Dachboden hatten", erklärt sie. Auf einem Leinenkittel war sogar "1902" als Jahr der Fertigung eingestickt. Auch einige "Großspender" habe es gegeben: So steuerte etwa Stefan Reff einen ganzen Schwung Leinentücher aus seiner Praxis für Physiotherapie bei. Dankbar sei man auch über die Taschen, die die Steuerkanzlei von Christian Hüttner aus Eggenfelden dem Nähteam überlassen habe. "Darin können wir die kleinen Einzelteile für jedes Gewand verstauen, damit nichts verloren geht", erklärt Angela Gömmel. Fäden, Gummis, aber auch Lederteile erhielt man von der Schneiderei Eppeneder. Auf großes Wohlwollen sei man zudem mit Bestellungen beim Textilgeschäft Schlettwagner in Tann gestoßen, fügt Hildegard Frankenberger hinzu.

Nähteam gespannt auf das Ergebnis

Gespannt ist das Nähteam bereits auf das Ergebnis der eigenen Arbeit – also den Moment, wenn das gesamte Ensemble in voller Montur auf der Bühne im Einsatz ist. "Da braucht man schon ein bisserl Fantasie", räumt Angela Gömmel ein. Denn die volle Wirkung würden die Gewänder natürlich erst entfalten, wenn sie von den Darstellern getragen werden und auch die Accessoires wie Waffen, Schmuck oder Stoffbeutel noch hinzukommen.

 

Sie erinnert an die große 650-Jahr-Feier der Marktgemeinde im Jahr 2015, schon damals habe das Mittelalterfieber den Ort gepackt. "Da waren auch schon alle begeistert", sagt Angela Gömmel. Für das "Wasservogel"-Projekt rechnet sie nun sogar noch mit einer Steigerung, denn: "Für mich persönlich ist es sehr beeindruckend, wenn ich mir vor Augen führe, dass das Stück unsere eigene Geschichte erzählt." Ähnlich sieht es Hildegard Frankenberger, die sich schon richtig auf die erste Aufführung am 14. Juli 2023 freut: "Ich glaube, das wird sehr, sehr schön."

Fotos:

Damit auch alles richtig sitzt: Hildegard Frankenberger (links) und Angela Gömmel nehmen bei Ludwig Reil Maß, der den Magyaren-Führer Etzelino spielen wird. −Fotos: Fleischmann

So wird einer der Magyaren aussehen: Zu den Markenzeichen gehört die Lederhaube mit Quaste.

Das Nähteam ist schon seit Wochen im Einsatz: (von links) Angelika Reiterer, Lia Rothmaier, Roswitha Zeiler, Hildegard Frankenberger, Angela Gömmel, Andrea Maier, Margarethe Frankenberger, Manuela Laibinger, Waltraud Schiebelsberger und Karin Maier.

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